Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, steht die Geschlechtergerechtigkeit im Mittelpunkt – auch im Gesundheitsbereich. Seltene Krankheiten betreffen Millionen von Menschen weltweit, doch die späte Diagnose bei Frauen stellt spezifische Herausforderungen dar.
Neben den ohnehin schwierigen Bedingungen bei Diagnostik und Therapie seltener Erkrankungen gibt es eine oft unterschätzte Ungleichbehandlung. Frauen erhalten ihre Diagnose in vielen Fällen später und werden im Gesundheitssystem weniger ernst genommen.
Zudem sind es meist Frauen, die sich um erkrankte Angehörige kümmern. Diese zusätzliche Verantwortung belastet ihre körperliche und seelische Gesundheit, mindert ihre Lebensqualität und gefährdet ihre wirtschaftliche Sicherheit.
Späte Diagnose bei Frauen: Ungleichheit in der Diagnosestellung
Eine Studie der Universität Kopenhagen mit Daten von über 6,9 Millionen Patientinnen und Patienten zeigt, dass Frauen bei vielen Erkrankungen später diagnostiziert werden als Männer.
Die Untersuchung umfasste 1.369 verschiedene Krankheitsbilder und stellte Unterschiede in der Zeit bis zur Diagnose fest, insbesondere bei Stoffwechsel-, Augen-, Haut- und Muskelerkrankungen sowie bei angeborenen Fehlbildungen.
Die Forschenden konnten jedoch nicht feststellen, ob die verzögerten Diagnosen auf genetische oder umweltbedingte Faktoren, auf Verzerrungen im Gesundheitssystem oder auf eine Kombination dieser Ursachen zurückzuführen waren.
Die Folgen verspäteter Diagnosen für Frauen
Gerade bei seltenen Erkrankungen kann eine späte Diagnose schwerwiegende Folgen haben. Je länger keine Klarheit besteht, desto später beginnt die Behandlung und desto weiter kann die Erkrankung fortschreiten.
Ein Bericht der Alliance Maladies Rares zeigt, dass Frauen mit seltenen Erkrankungen in Frankreich später an Fachärzte oder Kliniken überwiesen werden als Männer, selbst wenn sie bereits erste Symptome zeigen.
Hinzu kommt: Männer beginnen oft früher mit der Behandlung von Symptomen, während Frauen häufig abwarten, bis eine gesicherte Diagnose vorliegt. Das verlängert nicht nur ihr Leiden, sondern erhöht auch das Risiko für Komplikationen.
Die unsichtbare Last: Frauen als pflegende Angehörige
Viele Frauen tragen nicht nur ihre eigenen gesundheitlichen Belastungen, sondern übernehmen zusätzlich die Pflege von Familienmitgliedern mit seltenen Erkrankungen.
Laut dem brasilianischen Statistikamt IBGE verbringen Frauen im Durchschnitt 9,6 Stunden pro Woche mehr mit Haushalt und Pflegearbeit als Männer. Diese Doppelbelastung wirkt sich direkt auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden aus und erhöht das Risiko für Erschöpfung, Angstzustände und Depressionen.
Im Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen ist die Belastung oft besonders hoch. Die Betreuung ist komplex, umfasst die Gabe von Medikamenten, zahlreiche Arztbesuche und in vielen Fällen medizinische Unterstützung zu Hause. Frauen stellen ihre eigenen Bedürfnisse oft zurück, was zu Verzögerungen bei der Diagnose und Behandlung ihrer eigenen Erkrankungen führen kann.
Darüber hinaus hat diese Sorgearbeit auch wirtschaftliche Folgen. Viele Frauen reduzieren ihre Arbeitszeit oder geben ihre berufliche Tätigkeit ganz auf. Dies führt zu finanzieller Abhängigkeit und erhöht das Risiko von Armut. Die Folge ist ein Kreislauf aus Unsichtbarkeit und Benachteiligung, in dem die Gesundheit und Lebensqualität von Frauen langfristig beeinträchtigt wird.
Die Anerkennung und Bewältigung dieser Belastung ist entscheidend für die Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit. Öffentliche Maßnahmen, die pflegende Angehörige unterstützen – etwa häusliche Pflegeprogramme oder psychologische Unterstützungsangebote – sind unerlässlich, um das unsichtbare Gewicht zu mindern, das vor allem Frauen tragen. Nur so kann sichergestellt werden, dass sowohl Patient*innen als auch pflegende Personen die Aufmerksamkeit und Fürsorge erhalten, die sie verdienen.
Was sich ändern muss
Der Internationale Frauentag macht deutlich, dass die bestehenden Ungleichheiten im Gesundheitssystem erkannt und beseitigt werden müssen. Frauen verdienen die gleiche medizinische Aufmerksamkeit wie Männer mit rechtzeitigen Diagnosen, ernst genommener Symptomwahrnehmung und gezielter Unterstützung für pflegende Angehörige.
Gerechte Gesundheitsversorgung ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht.
Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es Investitionen in Forschung, Fortbildung und politische Maßnahmen, die strukturelle Hürden abbauen.
Frauen mit seltenen Erkrankungen brauchen schnelle, respektvolle und faire medizinische Versorgung.
Es ist Zeit zuzuhören, anzuerkennen und zu handeln, damit alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, die medizinische Hilfe erhalten, die sie brauchen und verdienen.
Quellen:
WESTERGAARD, David; MOSELEY, Pope; SØRUP, Freja Karuna Hemmingsen; BALD, Pierre; BRUNAK, Søren. Population-wide analysis of differences in disease progression patterns in men and women. Nature Communications, Feb 8, 2019. Available at: https://www.nature.com/articles/s41467-019-08662-6
EUROPEAN PUBLIC HEALTH ALLIANCE. Gender inequalities and discrimination in rare diseases: a double threat to women’s health and wellbeing. Dec 15, 2025. Available at: https://epha.org/rare-diseases-gender-inequalities/
IBGE – BRAZILIAN INSTITUTE OF GEOGRAPHY AND STATISTICS. In 2022, women dedicated 9.6 more hours per week than men to household chores or caregiving. IBGE News Agency, Mar 9, 2023. Available at: https://agenciadenoticias.ibge.gov.br